Ihr Lieben,
nach mehr als einem Monat melde ich mich wieder bei euch! Die letzten Wochen waren unglaublich aufregend, intensiv und teilweise sehr nervenaufreibend!
Einige von euch wissen, dass mein März von Besuchen geprägt war. Fast durchgehend durfte ich in Santiago Gäste begrüßen. Zufälligerweise bot es sich für meine Eltern und meine Schwester an, fast zur gleichen Zeit Urlaub zu nehmen. Also ging ich erst Elisabeth und drei Tage später, gemeinsam mit ihr, meine Eltern vom Flughafen abholen. Wir haben uns für eine Woche ein Auto gemietet. Angesichts der Tatsache, dass durchgehend bescheidenes Wetter war, wurde das Auto immer nützlicher für uns. Denn meiner Meinung nach ist Santiago ein Ort, in dem man viel zu Fuß erledigen kann (Pilgerort und so) und nach kurzer Zeit (fast) alles gesehen hat. Erst nach einigen Wochen habe ich mir eine Busfahrtkarte gekauft, da ich sie bis dahin nicht für nötig hielt. Obwohl eine Fahrt, egal wohin, nur 60 Cent kostet, laufe ich meistens lieber. Aber auch eher, wenn es nicht regnet. Bin ja aus Zucker 😊
Mit dem Auto konnten wir ein paar Städte in der Umgebung erkunden, die ich vielleicht allein nicht besucht hätte. Santiago und die umliegenden Dörfer und Ländereien sind sehr alt. Man kann überall Zeugnisse aus vergangenen Zeiten finden. Sogar der Lebensstil passt öfter ganz gut dazu. Es gibt viele verschlafene Orte mit Einwohnern einer älteren Generation oder leerstehenden Häusern sowei Läden. Als wir jedoch während der Karnevalstage in die Provinz Ourense fuhren, erlebten wir, dass man nicht nur in Köln oder Aachen die Straßen zum Beben bringen kann. Dort ist es Tradition mit getrockneten Schweinsblasen (ja, ihr lest richtig) durch die Straßen zu tanzen und andere Karnevalisten mit dem Trommeln zu erschrecken oder sie damit gar zu „schlagen“. In dieser Stadt, die weniger als 10.000 Einwohner zählt, wird von ganz Spanien am längsten Karneval gefeiert. Am Abend vom Feilchen- Dienstag, sollte auch in Santiago ein Zug stattfinden. Der wurde aber, aufgrund des schlechten Wetters, abgesagt. Typisch Spanisch kann man aber auf fiestas nicht verzichten und so wurde er natürlich wiederholt. Es ging für uns auch ans Meer. In A Coruna waren wir am Strand Riazor, der quasi direkt in der Stadt ist. Die Farbe des Atlantiks ist beeindruckend, hoffentlich könnt ihr sie auf den Fotos gut erkennen. Bei Wolken, als auch bei Sonne ist es dort unglaublich schön. An der Promenade befindet sich ebenfalls ein Leuchtturm. Er ist dafür bekannt, der älteste noch betriebene der Welt zu sein. Das kommt nicht von ungefähr. Schon 110 n. Chr. wurde er von den Phöniziern, Kelten und Römern erbaut. Eine großartige Aussicht auf das Meer haben wir auch in Finisterre gehabt. Die Sprachbegabten unter euch können sich vielleicht erschließen, was es mit diesem Namen auf sich hat. Bei den Römern galt das Kap als Ende der bekannten Welt. Hier endet auch der Pilgerweg, markiert durch den 0.000 km Stein. Ein emotionaler Ort. Nicht nur für Pilger. Für alle, die den Boden der Tatsachen finden wollen und demütig sein möchten ist hier ein guten Platz dafür. Auf den Felsen vom fin del mundo.
Zurück in Santiago. Es erwartet uns große Architekturkunst. In der Cidade da Cultura (galizisch für: Stadt der Kultur) auf dem Berg Gaiás. Hier erhebt sich über der Stadt eine Ansammlung von Kulturgebäuden inklusive eines Museums, einer Bibliothek oder einer, wegen seiner Bauweise preisgekrönten, Kantine. Eine temporäre Ausstellung über den galizischen Fußball ließ Papas Herz höherschlagen.
Mama erlebte das auf dem Mercado de Abastos. Der Markt mit Händlern, die jegliche Produkte aus eigener Herstellung oder dem eigenen Anbau verkaufen, ist definitiv ein Besuch wert. So, wie ein Abstecher im Hostal de los Reyes Catolicos (Hotel der katholischen Könige). War es noch im Mittelalter ein Krankenhaus für verwundete Pilger, wurde 1958 ein 5 Sterne Hotel daraus. Das im Jahre 1508 eröffnete Hotel ist das älteste Spaniens und gehört zu den antiksten der ganzen Welt. Den Kaffee und eine Tarta de Santiago (Mandelkuchen) kann man sich dort aber auch als normal sterblicher Mensch leisten.
Das Gute daran, dass Mama und Papa ein Auto gemietet haben war, dass ich auch endlich Orte wie den Lidl, Ikea oder einen großen Decathlon besuchen konnte. Besonderes ersteres Geschäft fühlte sich etwas heimisch an. Dort kauften wir nochmal ordentlich auf Vorrat ein, wie man es von uns halt kennt (oder liebe Familie?). Außerdem ließ ich endlich meine Haare schneiden. damit hatte ich meine Familie schon bon Beginn an genervt.
An einem der letzten Tage wurden meine Eltern noch in unsere Wohnung eingeladen. Italienische Küche zur spanischen Uhrzeit. Ein lustiger und internationaler Abend, wie es Mama zusammenfasst.
Doch dann war ihre Besuchszeit schon um. Die Zeit geht so schnell vorbei, wenn es schön ist. Sentimental wie ich bin, flossen dicke Tränen. Doch die sollten nicht lange anhalten. Nur drei Tage später konnte ich meinen Liebsten Dustin am Flughafen abholen. Aufgeregt wie sonst was, waren wir bei der Begrüßung dann erstmal sprachlos. Das legte sich aber schnell und wir konnten fast zehn Tage Zweisamkeit genießen. Wie auch meinen Eltern und Elisabeth, zeigte ich ihm die Stadt, das Umland und mein Leben. Wir hatten sogar die Möglichkeit mit einer Organisation einen Ausflug zu machen. Es ging zum Canon do Sil. Einer tollen Aussichtsplattform, von der man aus die Schlucht und den Fluss Sil bewundern kann. Die Tour beinhaltete auch die Besichtigung von alten Klöstern. Eines beeindruckte besonders mit seinem Alter. Es stammt aus dem 6. Jahrhundert.
Auf diesem Trip und während unserer gemeinsamen Zeit hatten wir nur einen Gegner: das Essen. Leider sind Dustin und ich keine großen Fans der spanischen Küche. Deshalb waren wir oft etwas wählerisch. Aber wir wurden satt. Um zum Beispiel den höchsten Berg Santiagos zu besteigen: den Monte Pedroso. Mit Dustin kam auch endlich die Sonne in den Nordwesten Spaniens. Er wurde braun, ich rot. Am meisten gefiel uns die Zeit am Meer. Weshalb wir dort zwei Tage verbrachten und er seine Premiere im Atlantik für dieses Jahr hatte. Mit meinen Mitbewohnern und vielen anderen Bekannten feierten wir eine fiesta italiana, besuchten das wöchentliche Tándem im Momo und verbrachten viel Zeit im angrenzenden Park. Es könnte also schlimmer sein. Ihm gefällt die Stadt genauso wie mir. Hier eine Zusammenfassung: „Santiago hat mehr Apotheken, als es Nobis Filialen in Aachen gibt.“
Wir machten uns die schönste Zeit, genossen das Wetter und das Zusammensein. Vielleicht wuchsen wir auch noch mehr zusammen. Immerhin war das auch unser erster gemeinsamer „Urlaub“. Der nächste folgt im Juni. Aber er fehlt mir jetzt schon. Und die Tränen fließen.
Aber das herrliche Wetter mit der warmen Sonne macht es erträglicher. In diesen Tagen bin ich schon zwei Monate hier. Halbzeit. Ich meine, wo ist die Zeit? Unwillkürlich beginne ich Resonanz zu ziehen. Was habe ich gemacht, gesehen und gelernt? Die wichtigste Frage, die ich aber immer klar beantworten kann, ist die nach meinem ganz eigenen Wohlbefinden. Mir geht’s gut, ich fühle mich pudelwohl und mag gerade noch gar nicht nachhause. Gott sei Dank, denn die ersten Sommersprossen kommen, ich sitze gerade (18:40 Uhr) immer noch auf der Terrasse und die Sonne blendet mich etwas. Als nächstes geht es auch erstmal nach Madrid um, unter anderem, meine Gastfamilie zu besuchen. Kann es kaum erwarten!
Also, auf bald Aachen, Familie und Freunde!
Viele liebe Grüße aus Santiago, eure Leonie